Montag, 4. Juni 2012

Der blaue Schurz

Alltägliche Arbeit am Hof - das Sensenschleifen
 
Seit jeher ist der blaue Schurz (Schürze) Bestandteil der Südtiroler Arbeitsgarderobe. “Ein Mann ohne Schurz ist nur halb angezogen”, besagt ein Sprichwort und der Schurz ist zum Teil heute noch allgegenwärtig und für gar manchen unverzichtbar.
Ursprünglich war der Schurz weiß, zunächst aus Leinen, gegen Ende des 19. Jh. wurde Baumwolle verwendet. Der lange weiße Schurz, mit dem sich die Bauern nach dem Sonntagsgottesdienst auf dem Dorfplatz oder auf den Märkten zeigten, war Ausdruck des Standesbewusstseins. Meist trug ihn nur der Bauer selbst, höchstens noch der Bauernknecht oder der Fütterer, nicht aber der kleine Knecht. Zwischen 1900 und 1950 wurde das “weiße Vortuch”, im Dialekt “Fürtig oder Fürchta” genannt, allmählich vom blauen Schurz abgelöst. Der Schurz diente in erster Linie als Schutz- und Arbeitskleidung, die in jeder Alltagssituation getragen wurde. Daneben erfüllte er noch andere praktische Aufgaben: als Sack, als Sähkorb, als Schweiß- oder Handtuch und nicht zuletzt diente das Schurzoberteil (“Pafer” oder “Brüstl”) beim Gang zu den Ämtern und Behörden zum Verstauen von allerlei Papierkram. Oftmals diente der Schurz auch dazu, die Hose oben zu halten.

Erst viel später ist der Schurz mit gestickten Blumen oder einem humorvollen Spruch verziert worden, wie etwa “Lustig und ledig”, “Im Wein liegt die Wahrheit”, oder “Bauer mit Herz” …
Ein aufgedrehter, blauer Schurz bedeutet “Feierabend”: nach getaner Arbeit wird die rechte Ecke vom Schurz zum Rücken gezogen und dort in die Schurzbänder eingedreht, während die linke Ecke vorne nach unten schaut. Diese Eigenheiten und auch die
Art des Schurzbindens variiert in den einzelnen Tälern Südtirols.

“Wenn ihr die blaue Schürze seht, ahnt ihr sogleich wer vor euch steht:
Ein Südtiroler! Jederzeit trägt stolz er sie als Ehrenkleid,
Er trägt sie, wenn er wirkt und werkt; wenn er sich zu Tische sitzt, sich stärkt;
Des Festtags und bei Arbeitsruh, zeigt er die Schürze immerzu.
Die blaue Schürze ihn umweht, wenn er im Felde pflügt, eggt, sät,
beim Heuen, bei des Kornes Schnitt geht immer auch die Schürze mit.
Wenn er die Bäume fällt, zersägt, sein Fuhrwerk durch den Wald bewegt,
Zur Alm empor die Kühe treibt, die Schürze nie zuhause bleibt.
Wenn er in Schnee und Eis sich wagt, den Gemsbock sucht und ihn erjagt.
Das Edelweiß am Felsgrat pflückt, die blaue Schürze oft ihn schmückt.
Die Schürze leuchtet froh, sie blinkt! Beim Obst- und Weinbau blau sie winkt.
In ihr kredenzt der Wirt den Wein, schenkt rot, schenkt weiß dem Gast ihn ein.
Ob Handwerker, ob Arbeitsmann, er zieht die blaue Schürze an.
Mit ihr er sich zum Volk bekennt, das Südtirol sein eigen nennt.
Der Bub führt aus sie und der Greis, der um den Sinn der Schürze weiß.
Wer sie trägt, der hat nicht verloren, die Freiheit die mit ihm geboren -
die blaue Schürze heißet auch: Festhalten an der Väter Brauch.
An Mutterlaut und Heimatland, in die der Herrgott ihn gesandt.
Die Schürze bleibt ihm Wappenzier, sein eig’ner Adel bürgt dafür.
Stolz zeigt er sie, ob reich, ob arm, für Südtirol in Freud und Harm.”
(P.P. Rütting)

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